Online-Kurs zum wissenschaftlichen Arbeiten: Erstellung des Kurses

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Dieser Text entstand im Rahmen des Projektes „digLL-Hessen“, gefördert durch das HMWK 2020. Autoren: Anja Augstein, Ute Hager, Hans-Martin Pohl (Hochschule Fulda – DLS)

Hintergrund

Im Rahmen des Projekts digital gestütztes Lehren und Lernen in Hessen (digLL-Hessen) wurde an der Hochschule Fulda ein Online-Kurs zum Wissenschaftlichen Arbeiten entwickelt. Ziel war es, einen Kurs zu schaffen, der in drei Lehrszenarien (Angereicherte Präsenzlehre, Blended Learning, E-Learning) flexibel einsetzbar ist.

Das wissenschaftliche Arbeiten stellt ein Querschnittsthema im Studienverlauf dar. Die Einführung in das Thema kann zu Beginn des Studiums stattfinden. In höheren Semestern können Leistungsnachweise in Form schriftlicher Arbeiten erfolgen; gegen Ende des Studiums stellt die Abschlussarbeit den Nachweis über die Kompetenzen im Bereich des wissenschaftlichen Arbeitens dar.

Entsprechend dieser Querschnittsfunktion des wissenschaftlichen Arbeitens im Studienverlauf wurde der Online-Kurs für drei Lehrszenarien aufbereitet: Die Angereicherte Präsenzlehre sowie das Blended Learning fokussieren eine einsemestrige Lehrveranstaltung mit einer festen Gruppe im Semesterverlauf. Das E-Learning bietet losgelöst von Lehrveranstaltungen eine individuelle Wiederholungsmöglichkeit für Studierende in höheren Semestern. Der nachfolgende Beitrag soll die Vorgehensweise bei der Erstellung des Kurses darstellen und dabei eine Anleitung in acht Schritten bieten.

Vorgehensweise bei der Erstellung des Kurses

Voraussetzungen für die digital gestützte Lehre

Auch bei der digital gestützten Lehre bilden Lehrziele den Rahmen der gesamten Lehrveranstaltung. Abhängig von der zu erreichenden Taxonomiestufe müssen in der Lehre unterschiedliche Methoden gewählt werden, um das Erreichen der Lehrziele zu ermöglichen und zu überprüfen. So kann bspw. das Erinnern und Wiedergeben von Fakten über Wiederholungsfragen geübt werden, während das Anwenden erlernter Methoden die praktische Arbeit an einem Fallbeispiel erfordert. Daher ist es wichtig, die Lehrziele zu klären, bevor die didaktische oder technische Konzeption von Artefakten begonnen wird. Es gilt: Kein Lehrziel ohne Überprüfung. Keine Übung ohne Feedback.

Im Sinne des Shift from Teaching to Learning wird die Rolle der Lehrperson als Lernbegleiter*in verstanden.

Die Lernplattform bildet den Ankerpunkt für die digital gestützte Lehre. Moodle, ILIAS, OLAT und andere Plattformen können dabei nicht nur zur Verbreitung von Unterlagen genutzt werden, sondern auch zur Diskussion von Themen, gemeinsamen Erstellung von Inhalten, Überprüfung von zu erinnernden Fakten, u.v.m. Dies ist sowohl über die Grundfunktionalitäten der Lernplattform als auch über Plugins, z.B. interaktive H5P-Inhalte, umsetzbar.

Von der Idee zum fertigen Kurs

Dem Erstellungsprozess von Artefakten geht eine Auseinandersetzung mit den späteren Einsatzmöglichkeiten voraus. Es gilt, zu klären, welche Studienmodule adressiert werden sollen, was die jeweilige Modulbeschreibung vorsieht und wie das jeweilige Modul im Studienverlauf verankert ist (auch im Hinblick auf mögliche Vorkenntnisse seitens der Studierenden). 

1. Zu Beginn des Prozesses sollten Lehrziele formuliert werden. Diese gelten unabhängig von der Art und Anzahl der Lehrszenarien.

2. Weiterhin sollten die Rahmenbedingungen  der Lehrveranstaltung geklärt werden, in welcher die Artefakte zum Einsatz kommen sollen:

  1. In welchem Studiengang befinden sich die Studierenden?
  2. In welchem Semester befinden sich die Studierenden?
  3. Wie viele Studierende nehmen an der Veranstaltung teil?
  4. Wann und in welchem Rhythmus finden Präsenzveranstaltungen statt und wie sind diese mit Onlineveranstaltungen verzahnt?
  5. Wann und in welchem Rhythmus finden Onlineveranstaltungen statt und wie sind diese mit Präsenzveranstaltungen verzahnt?
  6. In welcher Form erfolgt der Leistungsnachweis?
  7. Welche Lernplattform wird verwendet?

  8. Im Hinblick auf die Artefakte sind weitere Leitfragen zu berücksichtigen und im Sinne eines Anforderungsprofils für die Artefakte für die jeweiligen Lehrszenarien zu präzisieren:

  9. Zu welchen Anteilen wird online auf der Lernplattform bzw. in Präsenz gearbeitet?
  10. Zu welchen Anteilen wird in der Gruppe bzw. individuell gearbeitet?
  11. Wann findet die Informationsvermittlung synchron statt und wann asynchron?
  12. Zu welchen Anteilen findet die Kommunikation mit anderen Studierenden und mit der Lehrperson synchron bzw. asynchron statt?
  13. Zu welchen Anteilen erhalten die Studierende spezifisches bzw. generalisiertes Feedback?
  14. Zu welchen Anteilen erhalten die Studierenden Feedback durch die Peer Group, durch die Lehrperson sowie durch Musterlösungen auf der Lernplattform?

Die Antworten auf alle genannten Fragen bilden die Basis für die Beschreibung der relevanten Lehrszenarien.

Es sei darauf hingewiesen, dass innerhalb eines Lehrszenarios mehrere Formen auftreten werden können, beispielsweise eine Präsenzveranstaltung mit synchronen Gruppenarbeiten, die von einer Online-Vorbereitungsphase mit asynchronem Selbststudium eingeleitet wird.

3. Es folgt die inhaltliche und methodisch-didaktische Planung der Lehreinheiten für ein Lehrszenario A.

Diese umfasst die Semesterplanung, die Veranstaltungsplanung für die einzelnen Sitzungen (sofern relevant) sowie die Entwürfe für die einzelnen Artefakte – Arbeitsblätter, Lehrvideos, Übungen, Texte, usw. – zur Erarbeitung, Wiederholung, Vertiefung und zum Transfer von Inhalten.

Die Artefakte müssen passgenau konzipiert werden, sodass sie dem jeweiligen Anforderungsprofil gerecht werden und bspw. synchrone Gruppenarbeit auf der Lernplattform oder asynchrone Einzelarbeit mit Musterlösung ermöglichen.
Im Hinblick auf die spätere technische Umsetzung sei bereits an dieser Stelle erwähnt, dass sich alle Varianten sowohl in Präsenz- als auch in Onlineformaten umsetzen lassen. Live-Vorlesungen, Gruppenarbeiten, gegenseitiges Feedback u.v.m. sind im digitalen Raum ebenso möglich wie im Seminarraum. Wichtig ist jedoch: Fragen der technischen Umsetzungen setzen Klarheit über die methodisch-didaktische Zielsetzung voraus!

Bei der Konzeption gilt es, im Blick zu behalten, dass die Lehrziele allen methodischen und inhaltlichen Überlegungen übergeordnet sind. Auch die Zuordnung von Artefakten zu Lehreinheiten bemisst sich nicht (allein) an den thematischen Inhalten – so könnte bspw. ein Artefakt zur Gliederung schriftlicher Arbeiten sowohl im Kapitel “Gliederung“ als auch im Kapitel “Formale Anforderungen“ erscheinen –, sondern an der Passgenauigkeit zwischen Artefakt und Lehrziel:

  • Ist das Artefakt geeignet, um ein bestimmtes Lehrziel zu erreichen?
  • Welche und wie viele Lehrziele deckt das Artefakt ab?

Wird mehr als ein Lehrszenario verwendet, erfolgt nun die Planung für den Wechsel zwischen den Lehrszenarien:

4. Die Lehrszenarien können sich hinsichtlich der in den Leitfragen h bis m benannten Punkte unterscheiden:

  1. Online/Präsenz,
  2. Gruppe/Individuum,
  3. Informationsvermittlung synchron/asynchron,
  4. Kommunikation synchron/asynchron,
  5. generalisiertes/spezifisches Feedback,
  6. Feedback durch Peer Group/Lehrperson/Lernplattform

Daher gilt es, zunächst die Anforderungsbeschreibungen des bisher fokussierten Lehrszenarios A und des nun zu bearbeitenden Lehrszenarios B zu vergleichen (siehe Tabelle 1): Welche Auswirkungen hat der Wechsel des Lehrszenarios auf die Lern- und Arbeitsweise und somit auch auf die Artefakte? Wird beispielsweise von einem E-Learning-Szenario mit ausschließlich individueller Aufgabenbearbeitung in eine klassische Lehrveranstaltung mit regelmäßigen Präsenzterminen gewechselt, ergeben sich daraus einerseits neue Möglichkeiten, andererseits jedoch auch neue Anforderungen, das Arbeiten in der Gruppe zu gestalten.

Daran anschließend erfolgt eine Prüfung der für Lehrszenario A konzipierten Artefakte im Hinblick auf die Eignung für Lehrszenario B.

Im Sinne einer ressourceneffizienten Arbeitsweise sollte vermieden werden, für jedes Lehrszenario einen komplett eigenen Kurs zu entwickeln. Stattdessen sollten zwischen den Lehrszenarien größtmögliche Schnittmengen erzielt werden, sodass ein Artefakt für mehrere Lehrszenarien genutzt werden kann. Dennoch können auch Bruchstellen zutage treten, die in Unterschieden zwischen den Lehrszenarien (siehe Leitfragen h bis m) begründet liegen. Wurde beispielsweise für die Angereicherte Präsenzlehre eine Gruppenarbeit mit anschließender Präsentation und Feedback im Plenum entwickelt, so ist diese Aufgabenstellung für ein unabhängiges E-Learning zum individuellen Selbststudium ungeeignet.

Lehrziel: Die Studierenden können …Lehrszenario: Angereicherte PräsenzlehreLehrszenario: E-Learning
aus den Regeln guter wissenschaftlicher Praxis konkrete Handlungen für ihre eigene wissenschaftliche Praxis ableiten.Arbeitsblatt zur Präsenzveranstaltung: Regeln guter wissenschaftlicher Praxis (=Gruppenarbeit mit Präsentation im Plenum)– – – – – – – – – – – – – – – –

Lücke!
Keine Gruppenarbeit möglich, da individuelles Selbststudium
Tabelle 1: Beispiel für Abgleich der Lehrszenarien



Der Abgleich von Lehrszenarien und Artefakten dient dazu, fehlende Artefakte zu ermitteln. Auch hier gilt, dass sich die Bedarfe daran orientieren, was nötig ist, um das ausgewiesene Lehrziel zu erreichen.

5. Es erfolgt erneut eine inhaltliche und methodisch-didaktische Planung, welche nun auf die Konzeption zusätzlicher, für das Lehrszenario B geeigneter Artefakte abzielt (siehe Tabelle 2). Auch die neu zu planenden Artefakte orientierten sich an den vorhandenen Lehrzielen.

Lehrziel: Die Studierenden können …Lehrszenario: Angereicherte PräsenzlehreLehrszenario: E-Learning
aus den Regeln guter wissenschaftlicher Praxis konkrete Handlungen für ihre eigene wissenschaftliche Praxis ableiten.Arbeitsblatt zur Präsenzveranstaltung: Regeln guter wissenschaftlicher Praxis (=Gruppenarbeit mit Präsentation im Plenum)Übung: Regeln guter wissenschaftlicher Praxis – Wissenschaftliches Handeln
(=Freitextaufgabe mit Musterlösung auf der Lernplattform)
Tabelle 2: Beispiel für alternative Umsetzung im neuen Lehrszenario

Die Schritte 4 und 5 müssen für jedes weitere Lehrszenario durchgeführt werden. Ist die inhaltliche und methodisch-didaktische Planung für alle Lehreinheiten in allen Lehrszenarien abgeschlossen, rückt die Produktion der Artefakte in den Vordergrund.

6. Im Rahmen der technischen Konzeption werden die technischen Möglichkeiten zur Umsetzung der geplanten Artefakte ausgelotet.


Je nach Artefakt sind hier unterschiedliche Arbeitsschritte (z.B. Verfassen von Storyboards für Lehrvideos, Erstellen von Quizfragen mit Musterlösung), Kompetenzen und ggf. Kooperationen erforderlich, aber auch Grenzen hinsichtlich vorhandener zeitlicher, personeller und finanzieller Ressourcen vorhanden. Auch verfügt jede Lernplattform über Limitationen hinsichtlich technischer Lösungen.

7. Die Produktion der Artefakte setzt die bisherigen konzeptionellen Überlegungen in konkrete Lehrvideos, Übungen und andere Formen um.

Bei der zeitlichen Planung sollte ein Puffer für eine Prüfschleife eingebaut werden, um die erste Version auf technische und inhaltliche Fehler zu prüfen. Daran schließt sich eine Phase der Überarbeitung und Finalisierung der Artefakte an.

8. Abschließend werden die Artefakte auf der Lernplattform veröffentlicht und die Lehreinheiten durchgeführt.

Nummerierungen und erklärende Zwischentexte vor jedem Artefakt können bei der Orientierung auf der Lernplattform unterstützen (siehe Abbildung 1).

Die nachfolgende Abbildung 2 fasst den Erstellungsprozess zusammen.

Abbildung 2: Achtstufiger Erstellungsprozess

Lessons learned

Der didaktische Rahmen in den Schritten 1-3 bildet die Grundlage für den gesamten Prozess. Bestehen hier Ungenauigkeiten, ziehen sich diese durch den gesamten Prozess und führen zu vermeidbaren Klärungs- und Überarbeitungsschleifen.

Die Verschiedenartigkeit von Lehrszenarien ist nicht auf die Unterscheidung zwischen Online- und Präsenzeinheiten beschränkt. Ebenso bestehen Unterschiede dahingehend, welche Akteur*innen zusammenarbeiten (Gruppen- und/oder Einzelarbeit) und sich Rückmeldung geben (Feedback durch Peer Group und/oder Lehrperson und/oder Lernplattform) und wie die Akteur*innen Informationen erhalten (synchron und/oder asynchron), kommunizieren (synchron und/oder asynchron) und Feedback erhalten (generalisiert und/oder spezifisch).

Der angestrebte flexible Wechsel zwischen den Lehrszenarien ist nur dann möglich, wenn die Lehrziele in allen Szenarien identisch sind. Diese Verknüpfung von Lehrszenarien bietet die Chance, flexibel auf vorhergesehene und unvorhergesehene Veränderungen einzugehen. Auch können weitere Nutzungsmöglichkeiten des Kurses in Betracht gezogen werden, etwa als E-Learning in der Gruppe im Rahmen eines Onlinesemesters auf Grund der Covid-19-Pandemie oder im Rahmen eines Semesters, das im Online-Setting startet und nach einigen Wochen auf Präsenzlehre umgestellt wird.

Digital gestützte Lehrformate bringen eine zusätzliche technische Komponente in die Hochschuldidaktik ein, die von der bisherigen Erfahrung der Lehrpersonen nicht immer abgedeckt werden kann. Darunter fallen technisches Grundlagenwissen, Kenntnisse über die Nutzungsmöglichkeiten der Lernplattform sowie Ansätze zur Methodenvielfalt im digitalen Raum. Je nach Vorkenntnissen der Lehrperson ergeben sich daraus Schulungsbedarfe im Umgang mit Lernplattformen und Medien einerseits und Unterstützungsbedarfe seitens hausinterner Dienstleister*innen im Bereich Online-Lehre und Medienproduktion andererseits. Werden die Artefakte nicht ausschließlich von der Lehrperson produziert, ist ein gutes Schnittstellenmanagement zwischen den beteiligten Akteur*innen erforderlich.

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